Donnerstag, 17. Januar 2013

Eine Woche Selbstversuch: Ich trage nur hohe Schuhe


Für jeweils eine Woche probiere ich für mich untypische Lebensarten und
–Situationen aus. Ich hoffe, dass ein oder andere über mich zu lernen und
hauptsächlich ein Schmunzeln auf die Lippen des Lesers zu zaubern.
Ich liebe hohe Schuhe. Schließlich bin ich ein Mädchen. Und warum? Ganz
einfach, weil sie hübsch aussehen. Und da liegt das Problem: sie sehen
hübsch aus – im Schrank. Eventuell auch noch an den Füßen, aber dann hört
meine Leidenschaft zu hohen Schuhen schon auf. Ob Block-, Keil- oder
Stilettoabsatz, Material, Farbe und Form – alle Sorten finden sich in
meinem Schuhschrank. Die flachen Schuhe werden ausgeführt, die Hohen nur
selten, weil nach sechs Stunden Tanzfläche oder Shoppingmarathon die Füße,
hätten sie Augen, weinen würden. Mädchen machen sich eben Stress mit hohen
Schuhen und mir kann keine sagen, dass sie beim Tragen keine, nicht mal
irgendwann, Schmerzen verspürt. Ich verschwinde für eine Woche in eine
Welt, in der ich imaginär meine flachen Schuhe im Schrank verschlossen und
den Schlüssel unglücklicherweise verschluckt habe.
Es ist Sonntag und ich habe Angst. Eine Woche voller Uni, Party und
Lebensmitteleinkäufen steht an – in hohen Schuhen. Werde ich aufgeben und
wenn ja, wie schnell?! Lest es selbst.
 

Montag: Zur Sicherheit gönne ich mir heute meine Liebsten – 12 cm, 4 cm
Plateau, schwarzes Wildleder mit Schleife. In denen kann ich laufen,
springen, tanzen wie ich will, aber irgendwann hört der Spaß auf und ich
muss nach Hause humpeln. Schnalle zu und etwas overdressed in die Uni.
Pflastersteine lassen mich wie eine Betrunkene nach der Afterhour
aussehen. Schleichen im Gang hört sich anders an – klacker, klacker. Zu
Hause, nach U-Bahn, Bus und Tram sowie dem Besuch einer Freundin im
vierten Stock, putze ich – endlich barfuß, meine Füße sehen schon etwas
mitgenommen aus.

Dienstag: War doch gar nicht so schlimm gestern, gehen wir mal an die
Schmerzgrenze. Fataler Fehler: Schwarze Pumps mit 8cm Blockabsatz, die
ohne Plateau Todesschmerzen auslösen können. Bei Schuhgröße 37 kann diese
Höhe aufgrund der Anatomie des Fußes schon zum Problem werden. Selbst in
der Modeschule komm ich mir in hohen Hacken ziemlich dämlich vor. Am Ende
denkt jeder, ich sei arrogant. Zu Hause angekommen schlüpfen meine
feuerroten Fersen extra zum Einkaufen in Ankle-Wedges. Auf 10 cm schwebe
ich in den nächsten Supermarkt – eine wahre Erholung. Nach dem Kochen geht
es mit einer Freundin in die Stadt und durch unzählige Geschäfte. Aus
Schweben wird Schmerz und wir beenden unser Zusammentreffen mit einer
mehrstündigen Pediküre bei Tee, ganz bequem in der Küche.

Mittwoch: Eigentlich habe ich schon gar keine Lust mehr und würde am
liebsten mit meinen 2 cm Chelsea-Boots schummeln. Dummerweise entscheide
ich mich dann doch für Peeptoes mit 10 cm Keilabsatz, die trotz 36 etwas
zu groß sind (immer dieser Schwede) und nach einem halben Jahr in meinem
Schuhschrank gar nicht mehr meiner Ästhetik entsprechen. So schlimm war es
dann trotz vierten Stock und einem Einkauf dann doch nicht. Zu Hause
freuen sich meine Füße dann trotzdem auf das Bett.
Donnerstag: Ich habe frei und gehe in Wedges nur schnell ein paar
Lebensmittel einkaufen. Trotz Bequemlichkeit scheitere ich bei dem Versuch
mit meinem Mitbewohner Schritt zu halten und falle vorm Döner-Laden fast
auf die Nase. Mit hohen Schuhen lässt es sich nämlich um zwei Km/h
langsamer laufen. Mindestens!

Freitag: Damit ich wieder Lust am Projekt bekomme, ziehe ich heute wieder
meine Lieblinge vom ersten Tag an. Ist ja doch gar nicht so schlimm, auch
den fünften Tag in luftiger Höhe zu verbringen. Schließlich konnten sich
Blasen und Rötungen gestern erholen. Nach einem ausgiebigen Einkaufsbummel
mit Freunden nach der Uni, freuen sich meine Füße trotzdem auf den
direkten Kontakt mit dem frisch gelegten Laminat. Angekommen bei Freunden,
um Berlin unsicher zu machen, entscheidet sich dann doch jeder für sein
Bett und ich laufe gelangweilt nach Hause.

Samstag: Am besten trage ich nie wieder andere hohe Schuhe. Gleiches Spiel
wie gestern. Schnell ein paar Erledigungen gemacht für die
Einweihungsparty und raus aus den Schuhen. Als alle nach vier Uhr morgens
aufbrechen um in den Club zu gehen, verbietet man mir, das Experiment fort
zu führen. Die Ballerinas sind leider undicht und so mache ich mich
Sonntag um elf Uhr morgens mit nassen Füßen auf den Heimweg. Was freu ich
mich auf meine Chelsea-Boots! Ich hab mich die meiste Zeit overdressed
gefühlt, von Schmerz mal abgesehen, bin aber trotzdem stolz auf mich,
meine Wege auf einigen Zentimetern mehr gemeistert zu haben. Nur Mut zu
hohen Schuhen, jedoch sollte man sich überlegen, ob man beim Feiern
wirklich 10cm größer sein muss - in einem dunklen Raum, wo es keiner sieht
und keinen interessiert. Ich spreche aus Erfahrung, meine Füße mussten
schon oft weinen.